„In jeder Epoche muß versucht werden, die Überlieferung von neuem dem
Konformismus abzugewinnen, der im Begriff steht, sie zu überwältigen”
-Walter Benjamin: Thesen zur Geschichte
Zur Relevanz lyrischer Praxis
Dieses Positionspapier argumentiert für die Veränderung der Lyrikvermittlung im Schulunterricht und für eine größere Sichtbarkeit von zeitgenössischen Autor_innen in Schulbüchern(1). Als Kollektiv junger Lyriker_innen(2) gehen wir davon aus, dass die Praxis des Dichtens wie auch die Diskussion darüber einen Raum generiert, der eine ganz besondere Form von Freiheit schafft, welche die Verwertungslogik von Sprache im alltäglichen Informationsaustausch reflektiert und überschreitet. In Gedichten werden Dinge und Zusammenhänge sagbar, die außerhalb von ihnen nicht formulierbar sind. In diesem Sinne bedeutet Lyrik ein Bewusstwerden über das Objekt (Sprache, Artefakte) und begünstigt eine Reflektion von Subjektivität als sehender, fühlender, denkender und herrschender Instanz. Damit ist der Lyrik die Möglichkeit multipler Perspektiven und die Offenheit für kontinuierliche Umdeutungen eingeschrieben – sie konstituiert eine Praxis der Andersheit. Lyrik öffnet einen Raum außerhalb alltagssprachlicher Zwänge, in dem die Möglichkeit zum Dissens bestehen bleibt. Lyrik ist ein Raum der Pluralität und damit ganz wesentlich ein Raum der Kritik bzw. der kritischen Praxis. Weiterlesen