Zu „Kalendarium #1“ von Adrian Kasnitz – Hannah U.

Im Deutschunterricht der Klasse 11 beschäftigten wir uns mit Gegenwartslyrik. Dabei hatten wir verschiedene Gedichtbände zur Verfügung gestellt bekommen. Im Rahmen der Aufgabe, uns mit der Gegenwartslyrik zu beschäftigen und unseren Gedichtband auf bestimmte Aspekte zu untersuchen, bin ich auf den Band „Kalendarium #1“ von Adrian Kasnitz gestoßen, der im Juli 2015 veröffentlicht wurde.

Beim ersten Lesen des 44-seitigen Buches fiel mir auf, dass die Gedichte alle ziemlich kurz sind und meist nur weniger als eine halbe Seite ausfüllen. Der Band ist der erste Teil einer 12-teiligen Reihe, die als „Monatsbücher“ zu sehen sind und in einer losen Reihenfolge erscheinen. Bei „Kalendarium #1“ handelt es sich um den ersten Teil dieser Reihe und dieser stellt den Monat Januar dar.

Das Werk besteht aus 31 Gedichten, die mit einem Datum bezeichnet wurden, sowie mit einem Titel, der in Klammern steht. Dabei stellt jedes Gedicht einen Tag dar. Die Themen der Gedichte sind sehr unterschiedlich und variieren je nach den Erlebnissen des Dichters. So behandelt er zum Bespiel seinen Geburtstag in dem Gedicht „Neununddreißig“ (10.01) oder das Thema des neubeginnenden Jahres in dem Gedicht „Beginn“ (01.01), das gleich am Anfang des Bandes steht. Der Autor benutzt eine sehr bildliche Sprache und viele eingerückte Verse. Es gibt Gedichte, die nur aus einer Strophe bestehen, wie z.B. Moos (04.01) oder auch Strophen, die aus mehreren Versen bestehen, wie z. B. „Die Stühle mögen`s nicht“ (20.01). Bei Gedichten mit nur einer Strophe sind eingerückte Verse die Regel, was bei Gedichten mit mehreren Strophen, die einem klassischen Aufbau gleichen, eine Seltenheit ist. Der Band hat ein eher schlichtes und unauffälliges Cover, was im ersten Moment Fragen aufwirft, weil der Zusammenhang des Inhalts und des Covers eher unklar ist.

Um Ihnen den Gedichtband noch näher zu bringen, habe ich mir das Gedicht „Beginn“ (01.01) zur Kurzanalyse ausgesucht:

In dem Gedicht „Beginn“ von Adrian Kasnitz geht es um den Start in ein neues Jahr. Es erschien im Juli 2015.

Man könnte das Gedicht so interpretieren, dass das lyrische Ich gerade Silvester erlebt hat und nun im neuen Jahr ist, was sich durch den Titel erklären lässt. Der Sprecher sagt erst, dass er die Veränderungen nicht spürt, aber er fordert durch die „weiße Wand“ (V. 6) den Leser dazu auf, das Jahr selbst zu gestalten und sein Schicksal selbst zu bestimmen.

Das Gedicht hat neun Verse, jedoch nur eine Strophe. Es besitzt kein regelmäßiges Reimschema und es handelt sich um einen Jambus. Es gibt viele eingerückte Verse und viele starke Enjambements (V. 1–9). Außerdem gibt es keine Satzzeichen. Die fehlenden Satzzeichen, sowie die starken Enjambements sorgen dafür, dass die Sätze sehr verbunden sind und können mit einer Verwirrung, die das lyrische Ich am Anfang des neuen Jahres spürt, in Zusammenhang stehen. Das regelmäßige Metrum zeigt, dass das lyrische Ich trotz des Jahreswechsels keine Veränderungen spürt.

In Vers 1 beschreibt er seine Gefühle an diesem Tag, dabei benutzt er „Maske“ als Metapher (V. 1), die zeigt, dass er sich an diesem Tag nicht fühlt, als wäre er selbst. Mit den Schmerzen und dem kühlen Tuch in Vers 3 sagt er aus, dass er keine körperliche Veränderung spürt, was im folgenden Vers untermalt wird, denn er sieht das „neue“ nicht (Vgl. V. 4). In den nächsten Versen sagt er, dass er gerne „nackt vor dem Jahr stehen würde“ (Vgl. V. 4). Damit sagt er aus, dass er die kommenden Veränderungen in diesem Jahr begrüßt. In Vers 6 beschreibt er das Jahr wieder mit einer Metapher („weiße Wand“), die man im nächsten Vers mit einem Stift bemalt werden soll. Das zeigt, dass alle Türen offenstehen und man das Jahr sich selbst gestalten kann, indem man sich z.B. gute Vorsätze macht.

Meine Deutungshypothese wurde hiermit bestätigt. Das lyrische Ich merkt keine körperliche Veränderung am Beginn eines neuen Jahres, da er noch die Schmerzen spürt, aber er sagt aus, dass man sich das Jahr selbst gestalten soll.

Ich würde diesen Band weiterempfehlen, weil die Gedichte gut zu verstehen und teilweise sogar lustig sind (z.B. „Celina“). Das Buch ist außerdem nicht teuer (10€) und es gibt für jeden Tag ein Gedicht.

01.01 Beginn

An diesem Tag fühle ich mich wie mit Maske
Ein kühles Tuch liegt auf dem Gesicht

Weder Schmerzen weichen

noch das Neue sehe ich, sehne mich nackt
vor dem neuen Jahr zu stehen und es wie eine

weiße Wand zu betrachten

nimm du ein Stift

beginne, auf mir zu schreiben, Wörter
an mich zu heften, Vorsätze durchzudeklinieren