„Die Fortsetzung der Lyrik mit modernen Mitteln“, zu einem Gedichtband von Armin Steigenberger – Christoph G.

Heutzutage Menschen mit Lyrik zu begeistern ist schon eine schwere Aufgabe an sich, aber wenn dann noch eine ganze Generation deren einziger Bezug zu Lyrik die modernen Rap-Songs sind gefragt wird, ob denn Lyrik noch eine bedeutende Rolle zukommt, stehen die meisten mit fragenden Gesichtern da.

Um in unserer modernen Zeit mithalten zu können müssen sich Lyriker immer wieder neue raffinierte Kniffe ausdenken, um ihre Werke noch an den Mann zu bringen. Viele verlieren den Bezug zur Lyrik nachdem ihre Schullaufbahn beendet ist und finden nur selten die Motivation oder die Zeit, um sich einigen lyrischen Werken zu widmen. In dieser erstmaligen Ausnahmesituation, in der sich die Lyrik heute befindet, bestehen zu können, versuchen Autoren wie Armin Steigenberger sich über Lyrikzeitschriften und Internetseiten zu behaupten und sich dabei an uns und unsere medial geprägte Welt zu richten, während sie diese mit beachtlichen Wortkonzepten in ein neues Licht rücken.

Herr Steigenberger wurde 1965 in Nürnberg geboren und lebt heute in München, er studierte Architektur und ist heute im kreativen Schreiben tätig. Um der Lyrik nahe zu bleiben, leitet er noch immer Literaturseminare und ist Mitherausgeber der Literaturzeitschrift ,,außer.dem‘‘ und engagiert sich weiterhin als Mitglied der Lyrikgruppe ,,Reimfrei‘‘.

,,Die Fortsetzung des Glücks mit anderen Mitteln‘‘, so lautet der Titel eines seiner Werke, wurde erstmals 2013 in Berlin vom Verlag Horlemann veröffentlicht. Wie der Titel vermuten lässt handelt es sich bei diesem Gedichtband um eine Fortsetzung und befasst sich mit verschiedenen Aspekten unserer modernen Gesellschaft. Ein Gedicht, das meiner Meinung nach ein Vorzeigegedicht für diesen Band ist, findet man ziemlich am Anfang des ca. 90 Seiten langen Gedichtbandes. ,,an uns‘‘ ist ein Werk von Armin Steigenberger und zeigt wie viele seiner Werke eine Besonderheit auf: durchgehende Kleinschreibung.

an uns
wir gelangen in kargere gegenden.
unsere petitionen waren kein erfolg.
sie wiesen gebrauchsspuren auf.
wir leben ohne filter durch unsere
kulturell überformten tage.
unsere jajas haben zugenommen
wie die eintagsfliegen, die wir töten
oder mieten oder leasen. die fliegen dagegen
lassen uns seitdem links oder rechts
liegen. wir leben im zeitalter der
bedeutungsaufweitung. Und sind still
dabei. das haben wir lange genug
geübt. die stille schwirrt lärmend um uns
und sitzt millionenfach auf jedem quadrat
zentimeter. die laufzeit für unser ich liebe dich
wurde nie verlängert. es ist kalt geworden
um uns her. das könnte an uns liegen.

Wir gelangen in kargere Gegenden. Unsere Petitionen waren kein Erfolg, so beginnt das Gedicht und lässt erstmal einen negativen Eindruck auf den Leser wirken. Wir entwickeln uns in eine negative Richtung unseres Selbst und unserer Gemeinschaft. Die Versuche, etwas zu verändern, scheiterten.

Wir leben ohne Filter durch unsere kulturell überformten Tage. Unsere jajas haben zugenommen, wie die Eintagsfliegen die wir töten oder mieten oder leasen. Wir erleben häufig internationale Begegnungen, sei es persönlich im Alltag oder im Urlaub oder wir sehen in den Nachrichten einen internationalen Besuch. Sowas begeistert uns im Alltag, es lenkt uns für kurze Zeit ab von den Eintagsfliegen, die uns zu häufig umgeben. Interessante Nachrichten, ein Urlaub oder nur ein Ausflug holen uns schnell aus unserem Alltag heraus.

Wir leben im Zeitalter der Bedeutungsaufwertung. Und sind still dabei. Das haben wir lange genug geübt. Die Stille schwirrt lärmend um uns und sitzt millionenfach auf jedem Quadratzentimeter. Unsere Welt läuft auf Highspeed, immer schneller, immer besser und wir haben gelernt, das alles anzunehmen ohne kritisches Hinterfragen. Weiterhin könnte damit gemeint sein, dass wir immer mehr auf Medien für unsere Kommunikation setzen, lieber eine WhatsApp Nachricht, anstatt einen Anruf an die Eltern oder den Freund im Ausland. All das geschieht schon seit Jahren und wir haben uns daran gewöhnt, andere nicht und wieder andere wachsen in dieser Highspeed-Welt auf.

Die Laufzeit für unser Ich liebe dich wurde nie verlängert. Es ist kalt geworden um uns her. Das könnte an uns liegen. So gestaltet Armin Steigenberger das Ende von ,,an uns‘‘, er schließt das Gedicht mit einem ebenso negativen Ende, wie er es begonnen hat. Er wirft uns eine Entfremdung von unseren Mitmenschen vor und dass wir Schuld an unserer Einsamkeit (Kälte) sind.

Ein Gedicht, das an unsere heutige Welt angelehnt ist und diese in neuer Form aufzeigt. Meiner Meinung nach stellte sich dieser Gedichtband, explizit mit dem Gedicht ,,an uns‘‘, als interessanter als erwartet heraus. Eine abwechslungsreiche, aber dennoch einfach zu verstehende Schreibweise ermöglichen es Lesern aller Altersgruppen sich an den Werken des Autors zu erfreuen.