Zu „Pontus“ von Daniela Danz – Robert S.

Daniela Danz, geb. 1976 in Eisenach, lebt in Halle, studierte Kunstgeschichte in Tübingen, Prag, Berlin, Halle. Sie arbeitet als Kunsthistorikerin an der Inventarisierung der Kunstgegenstände in den Kirchen Thüringens. Außerdem ist sie die Autorin des wundervollen Gedichtbands „Pontus“.

Erschienen im Jahr 2009 bringt „Pontus“ ein eher untypisches Thema mit sich, das Schwarze Meer und seine Geschichte. Man begibt sich auf die Reise in längst vergessene Tage: in die Antike.

Das lyrische Sprechen dieser Autorin greift weit aus in die Vergangenheit, zurück ins Archaische, Mythische und er führt in entfernte Weltgegenden, die doch merkwürdig nah liegen. Daniela Danz befragt die Bruchstellen: von Tradition und Moderne, von Europa und Orient, von Wasser und Land. Die Dinge, die sie auf ihren poetischen Reisen „findet“, rücken in ein verzaubertes Licht, sie werden zu phantastischen Orten neuer Erinnerungen. Der Band umfasst 73 Seiten und über 40 Gedichte. Interessant ist dabei die Einteilung der Gedichte in die Kapitel. Die insgesamt fünf Kapitel bilden einzelne Abschnitte der Reise. So baut der Band eine Geschichte auf, die im letzten Kapitel ihr Ende findet. Im fünften und letzten Zyklus „Ex ponto“ wagt sie schließlich die formal ungebrochene Annäherung an die Antike. Ein Gedicht vom letzten Abschnitt heißt „Scythen (Symbolon)“. Hier geht es – wie man am Titel unschwer erkennen kann – um die Scythen. Bei Wikipedia heißt es: „Als Skythen werden Reiternomadenvölker bezeichnet, die ab etwa dem 8./7. Jahrhundert v. Chr. die eurasischen Steppen nördlich des Schwarzen Meeres im heutigen Südrussland besiedelten„:

Scythen (Symbolon)

Herangedroschen kommen auf Pferden groß
die wissen welche Wut sie nach Westen treibt
das alles ist vorbei ihr seht da
nichts als die Bilder in Stein gehauen

in persischen Sandalen die Gürtel fest
und schwer bewaffnet doch sichtbar schwächer als
die Griechen die die Leiber nieder
trampeln ganz nackt nur mit goldnen Helmen

hört her die ihr die Kunst rein als Kunst genießt
auch ich war eine die jetzt im Stein ihr seht
auch ich war eine Skythentochter
schön und erfahren und grausam siegend

ihr hättet ganz Paris für mich leergekauft
wenn ihr an einer Bar mir begegnet wärt
doch niemals vorher denkt nur hätt ich
schneller als so eine Schlacht verloren

Das Gedicht hat 4 Strophen mit jeweils 4 Versen. Es gibt kein Reimschema und keine Satzzeichen wodurch sich das Gedicht wie eine Geschichte lesen lässt. In der ersten Strophe beschreibt das lyrische Ich das, was heute noch von der Antike übrig ist: eine alte griechische Bildhauerei von Scythen-Kriegern auf ihren Pferden. Diese Beschreibung setzt sich nun in der zweiten Strophe fort hier kommt die Beschreibung einer Schlacht zwischen Griechen und Scythen dazu. Die siegreichen Griechen werden als überlegen beschrieben. In der dritten Strophe begibt sich das lyrische Ich in die Rolle einer Skythentochter und somit noch tiefer in die antike Geschichte. Daran knüpft die vierte Strophe an. Sie bezieht sich aber auch zugleich auf die heutige Zeit. Das wird deutlich, da es das heutige Paris in der Antike noch nicht gab. Wie man die letzten beiden Zellen deuten möchte bleibt jedem selbst überlassen. Eine Interpretation könnte zum Beispiel sein, dass die Scythen heute noch schneller Schlachten verlieren würden, da sie gegen die modernen Waffen keine Chance hätten. Diese Formulierungen im Konjunktiv sind für die vierte Strophe besonders prägnant.

Wer mit Scythen, Griechen und der Antike nichts anfangen kann und nicht besonders an Geschichte interessiert ist, sollte den Band eher nicht kaufen. Im ganzen Band geht es um die Antike und es fallen auch viele Fachbegriffe. Tradition und Gegenwart, Mythos und Realität sind sich gegenübergestellt. Für Geschichte interessierte und Bewunderer der Antike ist der Gedichtband ideal geeignet. Mit etwas Vorwissen werden die meisten Gedichte zu einer schönen Geschichte. Auf die Reise durch dieses Buch kann man sich natürlich aber auch ohne Vorwissen begeben, die Gedichte sind entspannend und beruhigend, obwohl man sie nicht beim ersten Lesen ganz versteht. Wer das Schwarze Meer mit allen Mythen und antiken Sagen erkunden möchte ist hier goldrichtig. Wer noch eine Kostprobe braucht, kann sich mal unter https://www.lyrikline.org/de/gedichte/masada-12642 reinlesen; hier ist das Gedicht „Masada“ zu finden.